Elwetritsche

Noch vor 25 Jahren wäre es völlig überflüssig gewesen, einem Pfälzer irgendwelche Informationen über den pfälzischen Spezialvogel Elwedritsche anzubieten. Derartige Kenntnisse erwarb er sich seit jeher von Kindesbeinen an als Zuhörer bei den Gesprächen der Erwachsenen, vor allem, wenn bei diesen der Pfälzer Wein seine weltbekannte zungenlösende Wirkung ausübt.

Heute haben wir allerdings so viele Hereingeschneite unter uns, die es mit der Zeit zu ordentlichen Pfälzer umzumodeln gilt, dass landsmannschaftlichte Fundamentalkenntnisse immer wieder an solche Bedürftige verteilt werden müssen.

Die folgende an nicht pfälzische Erdbewohner gerichtete Aufklärung wird daher auch manchem Einheimischen von Nutzen sein: Der Pfälzer Nationalvogel Elwedritsche – anderwärts auch Elwetritche oder Ilwentritsche genannt – ist rein äußerlich den Trappen ähnlich (nicht den Trappern!), hat die Größe eines Huhns und seine Flügel taugen nicht viel, weshalb es das bergende Unterholz volkstümlicher Überlieferungen nur ungern verlässt.

Die enorme Seltenheit von Abbildungen der Elwedritschen erklärt sich ersten aus der Tatsache, dass sie nur nachts unterwegs sind, und zweitens, dass diese Vögel als außerordentliche wohlschmeckend gelten. Aus diesem Grund werden die erbeuteten Exemplare erfahrungsgemäß stets unverzüglich für den Verzehr zubereitet, ohne dass zuvor ein Passbild angefertigt wird. Es wäre sehr bedauerlich, wenn es dabei bleiben würde und diese Tierart, deren Bestandsstärke unübersichtlich ist, möglicherweise aussterben könnte, ohne dass ausreichende wissenschaftliche Beschreibungen von ihr vorhanden sind.

Verbreitungsgebiet und Nahrung

Das Verbreitungsgebiet der Elwedritschen umfasst die gesamte rechts- und linksrheinische Pfalz. Über ihre Ernährung erfuhren wir von einem Kenner:

„Die Elwedritsche vertilgt neben tierischer Wurmkost auch ‚Schbarfinkelkraut’ ‚A……kitzler’  ‚Bettsächer’ ‚Marau’ und ähnliche Würzkräuter und bevorzugt im Herbst das Fleisch der ‚Madame Schenkel’ sowie die goldgebrätelten spätzulesenden Beeren der Silvanertraube. Darum stehen die Weintrinker zu ihr in einem angespannten Verhältnis“.

Die letzte Feststellung erklärt offenbar auch, weshalb der Entschluss, eine Elwedritschenjagd zu veranstalten, sehr oft zu später Stunde unter Weintrinkern am Wirtshaustisch heranreift. Diese Tatsache wiederum ist der Grund dafür, dass Unternehmungen diese Art so oft misslingen, denn in fast jeder Zechenrunde tritt früher oder später ein (oder gar mehrere) „Schnellbabbler“ in Erscheinung, bei dessen Mitwirkung sicherlich sogar eine Jagd auf Salatschnecken daneben gehen würde.

Die Jagd

Nicht nur Schweigsamkeit ist bei einer Elwedritschenjagd vonnöten, sondern auch Scharfsinn und präzis durchdachte Fangmethoden, im allgemeinen macht man sich hierbei die Tatsache zunutze, dass Elwedritschen, wenn sie sich außerhalb Ihrer geheimen Wechsel bewegen, sich mit Vorliebe zur Kurssteuerung der Leuchtkäfer und Glühwürmchen bedienen. Die pfälzischen Elwedtritschenjäger ziehen daher mit Stall-Laternen, sogenannten „Lozern“ in das Jagdgebiet, in welchem sie Elwedritschen vermuten. Hier werden jeweils zwei Lozer in eine Linie gestellt, in deren Mitte rechtwinklig dazu der Fangsack (möglichst mit Lederverstärkung am Hinterteil) postiert wird. Die Sacköffnungsachse muss sich in der Verlängerung der Ziellinie der beiden Lozer so schneiden, dass ein absolut gleichschenkliges Dreieck entsteht. Es ist ratsam, die einzelnen Bezugspunkte von einem Geometer festlegen zu lassen und, wenn dies aus Kostengründen nicht möglich ist, einen ehemaligen Hauptfeldwebel mit dieser Aufgabe zu betrauen.

Der kritische Punkt der ganzen Aktion liegt in der Tatsache, dass die Sacköffnung von einem der Jäger ständig offengehalten werden muss, man aber bis zum letzten Augenblick nicht weis, ob das Elwedritschenwild von vorn oder von rückwärts anläuft. Aus diesem Grunde ist man neuerdings zu Doppelsäcken übergegangen, zu deren Bedienung allerdings zwei Mann erforderlich sind.

Sehr vorteilhaft ist’s, wenn der Fangsack knapp über einen Wasserlauf gehalten wird, weil durch das  Wasser das Tempo der einlaufenden Elwedritschen, gebremst wird und eventuelle Korrekturen der Sacköffnungsrichtung daher sicher vorgenommen werden können.

Kein Jäger im Wald sollte davor zurückschrecken, wenn ihm der Platz im Wasser angewiesen wird, hingegen kann man es als billig betrachten, dass ihn ein anderer nach einigen Stunden ergebnislosen Wartens ablöst. Die körperliche Widerstandsfähigkeit gegen Wärmeverlust lässt sich durch einen vorherigen kräftigen Umtrunk wesentlich verbessern.

Zum Schluss noch ein Tipp: Die Schlachtung der gefangenen Elwedritschen geschieht durch Drehung des Halses derselben um 2 mal 360 Grad. Vorraussetzung dazu ist allerdings, über den betreffenden Vogel zunächst einmal zu verfügen.

Dazu: „Weidmannsheil!“

(Text: Nach Erich Werres)